| Der Gewölbekeller ist leer, bis auf zwei Audioboxen, aus denen wir Bildbeschreibungen hören, der Ton ist das Bild. Statt zu malen oder zu zeichnen hat Rolf Kirsch Ansichten seiner Wohnküche mit Worten skizziert.
"Anlass dafür war eigentlich, das ich das mal geträumt habe, geträumt, ich hätte ein Bild nicht gezeichnet, gemalt, sondern ich hätte eine Beschreibung dieses Bildes angefertigt, das hat mich dann so fasziniert das ich mich dann hingesetzt habe und versucht habe mit sprachlichen Mitteln tatsächlich das zu tun, was ich sonst mit dem Zeichenstift gemacht hätte."
Rolf Kirsch wurde 1959 im Westerwald geboren, in Köln hat er Kunst studiert, hier lebt und arbeitet er auch heute. Das Verhältnis von Malerei und Medien ist sein Generalthema, das an Objekten der Hochtechnologie des Fortschritts der Geschwinigkeit durchgespielt wird. Der Gang durch den zweiten Ausstellungsort des Viernheimer Kunstvereins, durch das Kunsthaus, gleicht einem Streifzug durch die Philosophie Paul Virilios und seiner Kritik der Raserei der Moderne. Auf rund 100 kleinformatigen Ölskizzen von Rolf Kirsch ist sie zum Stillstand gekommen, das abgesoffene Kreuzfahrtschiff, abgestürzte Flugzeuge, zertrümmerte ICEs in den Fluten versinkende Busse, in Abgründen zerschellte LKW, aufgeschlitzte und entgleiste Waggons, alles Bilder von realen Unfällen, von Katastrophen die tatsächlich stattgefunden haben, die Rolf Kirsch aber nach dokumentarischen Fotografien aus den Medien gemalt hat.
"Es sind da mehrerere Aspekte, auch der Reportageaspekt sehr wichtig für mich, die Frage in wie weit Malerei sowas überhaupt transportieren kann und wenn sie es tut, was geschieht im Gegensatz zur normalen medialen Berichterstattung, (...) weil es mich von der formalen Seite immer auch gereitzt hat, wie kann ich so eine demolierte Karosserie malerisch erfassen,diesen Blechfaltenwurf wenn man so will, bewältigen und wie kann ich auch so eine Situation, die auf den ersten Moment chaotisch erscheint, wie kann ich die so sortieren und strukturieren, das es auch als Gemälde funktioniert und dieser Findungsprozess im Malen, das war auch die grosse Herausforderung bei den Bildern."
Es sind naturalistische Skizzen in Öl mit grobem gestisch expressivem Pinselstrich, deren Reiz aus der Spannung gegensätzlicher Gefühle kommt, einerseits sehen wir Unglücke, Katastrophen, Auslöser von großem Leid, übrigens menschenleer, andrererseits die Schönheit der malerischen Mittel, die Harmonie der Farben, der Schwung des Pinsels, ein Verfahren, das auf den großen Formaten, die in jüngster Zeit entstanden sind konsequent zugespitzt wird, von den Unglücksvehikeln sind nur noch vereinzelte zertrümmerte Metallteile übriggeblieben, die in komplexen Bildmontagen als Schrotthaufen arrangiert werden, oder ganz minimalistisch als Faltenwurf monochromer Bleche.
"Im Falle der neueren grösseren Arbeiten geht es auch darum, die Malerei nach diesem Exkurs wieder auf ihr Grundthema zurückzuführen, nämlich die Parallelität von klassischem Faltenwurf, wie er auch im Mittelpunkt der Malerei eigentlich immer gestanden hat und dann eben die Aktualisierung dieses Themas in Form eines Blech-Faltenwurfs, man kommt quasi da in der Geschichte wieder an und tut genau das, was die Maler vor dreihundert Jahren getan haben."
So zeigt die Ausstellung im Kunstverein Viernheim wie Rolf Kirsch bei seiner Erkundung der Malerei von der experimentellen bildlosen Bildbeschreibung am Ende wieder in der Delikatesse und Raffinesse der Tradition der Malerei landet.
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